Die Julias sind in der Überzahl
Schüler des Werderaner Haeckel-Gymnasiums frisieren Shakespeare-Klassiker
Werderaner Schüler verordnen Shakespeares Liebesdrama eine Frischzellenkur: Es heißt jetzt „Julia und Romeo"
Weitere Bilder von der Premiere hier: ehg-werder.de/julia_und_romeo_bilder
Von Steve Kenner (MAZ vom 29.09.08)
Die Julias sind in der Überzahl
Schüler des Werderaner Haeckel-Gymnasiums frisieren Shakespeare-Klassiker
Werderaner Schüler verordnen Shakespeares Liebesdrama eine Frischzellenkur: Es heißt jetzt „Julia und Romeo"
Von Steve Kenner
glindow „In welchem Kurs sind wir hier denn gelandet?", fragte sich Alena Brandenburger, Schülerin des Kurses Darstellen und Gestalten am Werderaner Ernst-Haeckel-Gymnasium, vor einem Jahr. Von einer Theateraufführung war noch nichts zu erahnen, Improvisationsübungen standen auf dem Plan.
Dann die Entscheidung: Der Kurs wird „Romeo und Julia“ als zeitgenössisches Stück aufführen. Lehrerin Silvia Marx verpasste Shakespeares Drama eine Frischzellenkur. „Jede Übung machte plötzlich Sinn", stellte Alena fest. Schon am Ende des Schuljahres war alles einstudiert. Am Wochenende traten die 15 Mädchen und drei Jungen ins Rampenlicht.
Nach historischer Staffage wie Perücken und Fächern suchten die Premierengäste vergebens. Vielmehr sind die beiden Helden moderne, multiple Persönlichkeiten. Alle Mädchen durften einmal Julia spielen, alle Jungs den Romeo - teils im Chor, teils in Einzelrollen. „Es ist nicht so spannend, wenn in einem Schülertheater zwei die Hauptrolle spielen und die anderen die Bäume sind", erklärte Silvia Marx ihren dramaturgischen Kunstgriff. Schon der Titel „Julia und Romeo" deutet an, dass kein Kostümfest zu erwarten ist.
Für die Szene, in der die Montagues ihren Sohn Romeo ermahnen, nutzt Marx das Lied „Junge" der Punk-Band „Die Ärzte". Auch das Streitgespräch Julias mit ihren Eltern ist in die heutige Zeit übertragen. Alle drei sind Gäste einer Talkshow. Im Laufe der einstündigen Vorführung telefonieren die Darsteller mit Handys. Begriffe aus der Zeit William Shakespeares tauschen sie gegenVokabular aus dem 21. Jahrhundert. Der Kostümball heißt nun Party.
Die Darsteller nutzen den ganzen Raum. Sie spielen auf dem Balkon, der Bühne und immer wieder zwischen den Zuschauerreihen. Oft wirken sie wie ein Bienenschwarm, undurchsichtig, durcheinander, aber dennoch perfekt organisiert.
Diese Idee ist aufgegangen. Gekrönt wurde das Zusammenspiel zwischen modernen Einflüssen und der Idee Shakespeares in der dramatischen Schlussszene. Ein Kameramann folgt den Darstellern in die Gemäuer des Kunsthofs. In der Gruft sterben Romeo und Julia. Die Zuschauer können das Geschehen nur noch auf der Leinwand verfolgen.
Das Publikum würdigte die Leistungen der Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren mit tosendem Applaus. „Als ich von der Bühne ging, sind meine Beine weggeknickt, es hat überall gekribbelt. Man hat das Gefühl, man ist was Besonderes", beschreibt Alena Brandenburger ihre Eindrücke nach der Aufführung