Mauthausen 2011

Erlebnisbericht Mauthausen

 

Wie in der Vorinformation angekündigt fuhren fünf Schülerinnen und Schüler zu den Befreiungsfeierlichkeiten in die Gedenkstätte des KZ Mauthausen.

Seit 2006 ist dies schon eine Tradition im Rahmen des Kooperationsvertrages zwischen dem Mauthausenkomitee Ost e.V. und unserem Gymnasium.

Neugierig machten wir uns am 04.05.2011 auf den Weg.

Schon die lange Fahrt wurde zu einem besonderen Erlebnis, denn außer uns nahmen noch Schülerinnen und Schüler einer Berufsschule aus Oranienburg/Zehdenick im Rahmen einer Projektarbeit teil und auch einige sehr alte Menschen stiegen zu uns in den Bus. Sie machten mit ihren Erzählungen aus ihrer Arbeit und ihrem Leben schon die Fahrt zu etwas ganz Besonderem. So wurde uns auch die Zwangspause auf dem Autohof in Schleiz aufgrund eines verschlissenen Keilriemens nicht langweilig. Wir lernten uns beim Essen und in Gesprächen zum Zeitvertreib kennen. So entstand von Anfang an ein vertrautes Verhältnis zu den viel älteren Menschen.

Endlich in unserem Hotel in Gallneukirchen angekommen ging es nach einem guten Abendbrot ins Bett.

 

Für den 05.05. 2011 war ein Besuch der Gedenkstätte Hartheim vorgesehen. Vom Hotel aus fuhr unser Bus nur eine halbe Stunde durch herrliche Gegend. Wieso liegen die Stätten der NS-Verbrechen in den schönsten Gegenden Österreichs? Eine Frage, die wir uns bei dem Besuch jeder Gedenkstätte stellten.

Schloss Hartheim –  eine Gedenkstätte für die Euthanasieverbrechen im Dritten Reich. Einigen von uns waren diese Verbrechen nicht bekannt. Die Ausstellung und die Führung durch diese Gedenkstätte beeindruckten alle, egal ob schon Wissen darüber vorhanden war oder nicht.

Besonders unsere jüngeren Mitschüler waren beeindruckt, denn die Gedenkstätte stellte Zusammenhänge zwischen der Zeit des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung, den Verbrechen der Nationalsozialisten hinsichtlich des Umgangs mit „unwertem Leben“ und den Problemen der Gegenwart mit „nicht normalen“ Menschen her. Nachdenklich und beeindruckt gedachten wir der Opfer, die durch die Aktion T4 oder die Isolation keine Lebenschance im System der Nationalsozialisten hatten.

Mandy Winter war beeindruckt nach diesem Besuch der Gedenkstätte.

Besonders die Begegnung mit Menschen mit Behinderungen in einem Cafe, welches zur Gedenkstätte gehörte, beeindruckte sie stark. Sie war erstaunt, wie normal diese Menschen in ihrer Arbeit und ihrem Umgang mit uns waren und wie Vorurteile auf beiden Seiten ganz schnell verschwanden.

Nachmittags konnten wir die Stadt Linz kennen lernen und uns von dem Erlebten erholen. Margarethe, eine politisch engagierte Österreicherin, die am Nichtvergessen der Verbrechen der NS großes Interesse hat und viele Aktivitäten in diesem Sinne organisiert, führte uns durch die Stadt und wir erfuhren, dass es auch hier Spuren der Häftlinge aus Mauthausen zu entdecken gab.

Voller Eindrücke fuhren wir gemeinsam mit unserem Bus in unser Hotel zurück. Dank vieler Gespräche in unserer Gruppe konnten wir die Eindrücke etwas verarbeiten.

Der Freitag, der 06.05.2011, führte uns etwas weiter weg von unserem Hotel in die Gedenkstätte nach Ebensee, einem Nebenlager von Mauthausen. Dort beeindruckte uns die Tatsache, dass die Häftlinge durch härteste Arbeit systematisch vernichtet werden sollten. Sie mussten ein Stollensystem in einen Fels treiben, denn die Nationalsozialisten wollten die Raketenforschung aus Peenemünde nach Ebensee verlagern. Ein unmenschliches Unterfangen! Pia beeindruckte besonders wie ausgeklügelt das System des Vertuschens der Verbrechen war.

Frau Stoof machte ihrem Erstaunen Luft, denn auf dem ehemaligen KZ-Gelände ist in den 50-iger Jahren eine Eigenheimsiedlung entstanden und die Leute, die jetzt dort wohnen, sind an der Geschichte des KZ wenig interessiert. Am liebsten würden sie die Geschichte verdrängen und die Gedenkstätte beseitigen. Gut dass es Menschen gibt, die genau das verhindern. Auch hier gedachten wir der Opfer am Denkmal für  Deutschland, welches sich auf dem Friedhof und dem Krematoriumsgelände befindet.

Am Sonnabend, den 07.05. 2011 fuhren wir wieder alle gemeinsam mit dem Bus nach Mauthausen und erfuhren in einer Führung durch Margarethe viel über das KZ und das Leben der Häftlinge.

Die Todesstiege, eine lange unregelmäßig gebaute Treppe, die vom KZ in den Steinbruch führte, diente der SS dazu, die Häftlinge zu Tode zu quälen, denn oft mussten sie mit einem 50 kg schweren Stein im Eiltempo, unter Schlägen und von Hunden gehetzt, diese Treppe hinauf und dann zur Freude der SS wieder hinunter. Nur vage können wir uns das Leid und die Verzweiflung der Häftlinge vorstellen. Harte unmenschliche Arbeitsbedingungen und die Schikanen der SS-Leute sind kaum vorstellbar. Tausende von Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen waren diesem System ausgeliefert. Jeden konnte es treffen! Das machte uns sehr nachdenklich.

Nachmittags fuhren wir in ein weiteres Nebenlager, nach
Gusen, und einige waren schon an der Grenze des Erträglichen angelangt. Dort gedachten wir im Krematorium der Opfer und erlebten eine Gedenkfeier zur Befreiung des Lagers. Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums stellten dem „Netzwerk des Terrors“ ein Netzwerk des Frieden entgegen. Viele polnische Überlebende, denen wir in unserem Hotel schon begegnet waren, nahmen an der Feierstunde teil. Wir trafen aber auch viele Jugendliche und Überlebende aus Italien, die sich an der Feierstunde beteiligten. Ein gutes Gefühl des gemeinsamen Gedenkens ist entstanden, mit dem wir ins Hotel zurück fuhren.

Der Sonntag, der 08.05.2011, sollte der Höhepunkt unserer Gedenkfahrt  sein, denn wir nahmen als offizielle Vertretung für die Bundesrepublik Deutschland an der Feierstunde zur Befreiung des KZ Mauthausen teil. Tausende Menschen aus der ganzen Welt kommen an diesem Sonntag im Mai zusammen um zu gedenken und zu mahnen. Es war ein tolles Gefühl in dieser gedanklichen Einheit durch das Lagertor zu laufen und mit dem Gesandten des Botschafters und Jugendlichen der Kriegsgräberfürsorge und dem Mauthausenkomitee Ost e.V. den Kranz im Gedenken an die deutschen Opfer niederzulegen. Da wir uns am Anfang des langen Zuges der Gedenkenden befanden erlebten wir viele Überlebende, die mit Beifall und Achtung von allen, die nach dem Marsch ein Spalier gebildet hatten, begrüßt wurden. Spätesten hier wurde sichtbar, dass es bald keine Überlebenden mehr geben wird und wie wichtig auch unsere biografische Arbeit  „Gegen das Vergessen“ ist.

Michael erlebte wie der Sohn eines Opfers aus Estland durch seine persönliche Teilnahme und ein ganz einzigartiges Plakat gegen dieses Vergessen auftrat, denn eine offizielle Delegation aus Estland gab es nicht. Er erzählte Michael, dass er das für das nächste Jahr ändern möchte. Toll, sagte uns Michael.

Thomas fiel wieder die große Anzahl Jugendlicher aus Italien auf, denn fast jede Region war im Gedenkzug vertreten und beteiligte sich mit traditionell gekleideten  Fahnenträgern an diesem Gedenkmarsch.

Schon am Mahnmal der Deutschen Mutter, dem Gedenkstein der ehemaligen DDR, war uns aufgefallen, dass dort viele Delegationen und Einzelpersonen der Opfer aus Deutschland gedachten. Auch wir, d.h. alle die an der Gedenkfahrt teilnahmen, hatten eine kleine Gedenkfeier organisiert. Thomas sprach über seine Motivation für sein Engagement.

 

Nach diesem emotional sehr beeindruckenden Erlebnis fuhren wir nach Reith, in einen Ort, wo die sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“ im Mai 1944 stattgefunden hat. 500 sowjetische Offiziere hatten eine Flucht aus dem KZ Mauthausen gewagt. Fast alle bezahlten diesen Mut mit ihrem Leben. Es gab auch Menschen, die diese Flüchtlinge unter Einsatz ihres Lebens versteckten und damit menschlich blieben.

Engagierte SPÖler hatten in den 80er Jahren gegen den Widerstand einiger Leute aus dem Ort durchgesetzt, dass mit dem Gedenkstein sowohl die Opfer als auch die mutige Tat einer Frau nicht vergessen werden .Die Jugendorganisation der SPÖ, die sich für das Bewahren der Geschichte des Widerstands und gegen eine neue rechte Gesinnung engagiert, führte eine Gedenkfeier durch, zu der wir herzlich eingeladen waren und einen Kranz niederlegten.

 

Zum Abschluss trafen wir uns zu einer kurzen
Gesprächsrunde in unserem Hotel. Jeder sollte die Möglichkeit des Gesprächs haben, aber wir waren sprachlos. die Eindrücke waren überwältigend.

Einig waren wir uns aber darüber, dass solche Erlebnisse und Begegnungen wichtig sind. Wichtig nicht nur gegen das Vergessen, sondern auch für unseren heutigen Umgang mit jung und alt. Wenn wir uns respektvoll begegnen und uns gegenseitig achten, dann können wir viel voneinander lernen und uns verstehen.

Mit dieser Erkenntnis fuhren wir am Montag wieder zurück. Wir sind neugierig auf unsere Arbeit und noch viele interessante Begegnungen mit alten Menschen, die uns über ihr Leben berichten werden.

Ihr seid herzlich dazu eingeladen!