Zögerlich waren die Anmeldungen der Schülerinnen und Schüler des Ernst-Haeckel-Gymnasiums Werder für das Zeitzeugengespräch gekommen. Was wird die Frau erzählen? Werde ich das aushalten? Ist das interessant? Kann ich den anderen Unterricht deswegen versäumen? – Solche und ähnliche Gedanken bewegten einige Schülerinnen und Schüler, die am Donnerstag im Gesprächsraum erschienen. Die Größeren waren sich da sicher. Sie wussten von vorangegangenen Gesprächen, dass auch das Gespräch mit Frau Käthe Sasso ein Erlebnis, etwas Besonderes werden wird.
Und genau das wurde es auch. Im Rahmen einer Lesereise, organisiert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Mauthausen Komitee, erzählte uns Frau Sasso aus einer Zeit, die wir nur aus dem Geschichtsbuch kennen.
Eine Lehrerin, Margarete Benedics, die Frau Sasso begleitete, las zuerst die Fluchtgeschichte auf dem Todesmarsch von Ravensbrück nach Bergen-Belsen vor.
Aufmerksame Stille herrschte im Raum, als nun Frau Sasso begann, von ihrer Kindheit und ihren Eltern zu erzählen. Sie berichtete uns, wie sie als Kind schon mit der Ideologie der Nationalsozialisten konfrontiert wurde, obwohl das in Österreich nach ihren Aussagen nicht so gravierend wie in Deutschland war. Sie lernte schnell durch die Reaktion der Erwachsenen um sie herum, dass das, was da propagiert wurde, abzulehnen ist. Bis heute ist es ihr unangenehm, dass viele Österreicher die Nationalsozialisten mit Freudentaumel empfangen haben. Sie betonte, dass es auch eine ganze Reihe von Österreichern gab, die genau wie ihre Familie und ihre Freunde diese Entwicklung ablehnten. Deshalb gehörte der Widerstand gegen diese Ideologie sehr zeitig zu ihrer Kindheit und Jugend.
Sehr schnell lernte sie auch, wie dieser Widerstand zur Verfolgung führte und viele Widerständler in Österreich ermordet und ins Zuchthaus oder KZ gebracht wurden. Auch Käthe Sasso gehörte dazu. Dass sie sowohl das Zuchthaus als auch das KZ Ravensbrück überlebte, habe sie der Solidarität ihrer Mitgefangenen zu verdanken, was sie immer wieder betonte. Käthe Sasso war auch solidarisch, trotzdem musste sie miterleben, wie Frauen und Kinder im KZ ermordet wurden.
Ganz still war es geworden, einige hatten Tränen in den Augen.
Am Ende war eines ganz klar, Frau Sasso nimmt diese Reisen und die Belastungen auf sich, weil sie möchte, dass ihr Kampf, der Kampf vieler Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen und Motiven heraus Widerstand geleistet haben, nicht vergessen wird. Sie forderte uns auf mutig zu sein, in einer Zeit wo es auch in ihrem Land Menschen gibt, die menschenverachtende Ideen verbreiten und Gewalt verherrlichen und praktizieren.
Erleichtert und glücklich nahm Frau Sasso am Ende der Gesprächsrunde zur Kenntnis, dass es auch an unserer Schule eine Gedenkminute für die Opfer des neofaschistischen Terrors gab, die uns alle in unseren Gedanken vereinte.
Frau Sasso erlebte nicht nur das Interesse der jungen Leute an ihren Erinnerungen, sondern auch tiefe Zuneigung. In persönlichen Gesprächsminuten nach der offiziellen Gesprächsrunde gab es noch Fragen, Umarmungen und die ernste Frage, was werden wird, wenn die Menschen, die als Zeitzeugen jetzt noch berichten können, nicht mehr da sind.
Schülerinnen und Schüler unsere Schule haben dieses Problem schon sei 2006 in Angriff genommen. Eine Ausstellung, die bundesweit gezeigt und den Schulen als Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt wird, beinhaltet Biografien von Zeitzeugen, die gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Warschau erarbeitet wurden. An dieser Ausstellung werden wir weiter arbeiten und so unseren Beitrag „Gegen das Vergessen“ leisten.
Im Mai fahren Schülerinnen unsere Schule wieder zu den Befreiungsfeierlichkeiten nach Mauthausen, Hartheim und Gusen. Auch hier treffen sie Zeitzeugen. Aber vor allem treffen sie junge Menschen aus der ganzen Welt, die die Idee einer friedlichen Welt vereint.
Daniel Zeidler (9b): "Ich war schon sehr auf das Gespäch gespannt und fande es erschreckend, wie die Menschen früher behandelt wurden und lebten. Es war sehr informativ und berührend. Gegen das Vergessen ist ein Projekt, welches man auf jeden Fall untersützen sollte.
Henryk Jungbluth (8s): "Es war sehr interessant zu hören, wie das Rechtssystem früher war und wie man mit der Gemeinschaft überlebt hat.
Janis Seidenstuecker (9b): "Ich fande es sehr interessant von einer Zeitzeugin zu erfahren, wie das Leben früher war.
Text: Sabine Stoof (Lehrerin und Organisatorin)