Wie in jedem Jahr hatten auch 2012 vier Schülerinnen und Schüler des Ernst- Haeckel- Gymnasiums Werder die Möglichkeit an den Befreiungsfeierlichkeiten in Mauthausen teilzunehmen.
Erwartungsvoll und neugierig machten sich Mandy Winter, Lukas Abelt, Isabell Kaltenstadler und Theresa Abel mit Frau Stoof auf den Weg.
Wie immer fuhren wir gemeinsam mit Vertretern des Mauthausenkomitees Ost e.V., das uns einlud und uns durch seine finanzielle Unterstützung im Rahmen unseres Kooperationsvertrages diese Teilnahme ermöglichte. Vielen herzlichen Dank!
In diesem Jahr erwarteten uns nicht nur interessante Gespräche mit den älteren Mitfahrern, die ein großes Interesse daran haben, dass die Verbrechen der NS-Zeit niemals vergessen werden. Wir besuchten die Gedenkstätten Gusen, Hartheim und Mauthausen und besonders Hartheim als Euthanasie – Gedenkstätte beeindruckte uns. Im Vorfeld der Reise hatten wir erfahren, dass Zeitzeugen zum Gespräch eingeladen worden waren.
Aus Veranstaltungen im Gymnasium wussten wir, dass diese Gespräche sehr aufschlussreich und interessant sind. Gerade deshalb freuten wir uns als wir erfuhren, dass Elsa Rentmeister, Ehrenvorsitzende des Mauthausenkomitees Ost e.V., an der Fahrt teilnimmt.
In der Gedenkstätte Mauthausen trafen wir uns mit Anna Hackl, die uns von der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“ erzählte und davon, wie es ihrer Familie gelungen war, zwei von fünfhundert geflohenen sowjetischen Offizieren vor dem sicheren Tod zu bewahren. Wir konnten die Aufregung und die Angst, die sie als Kind durchlebt hatte, spüren. Uns wurde aber auch klar, dass sie deswegen keine Helden sein wollen, sondern ganz normale Menschen, die in einer furchtbaren Zeit einfach nur menschlich gehandelt haben.
Voller Freude und auch stolz berichtete uns Frau Hackl, dass es nach vielen Jahren ein Wiedersehen gab mit diesen ehemaligen Gefangenen und wie glücklich ihre Familie war, dass sich der Einsatz des Lebens gelohnt hat.
Die Gedenkfeier in Ried, am Denkmal für die gefallenen sowjetischen Offiziere, war jetzt kein abstraktes Ereignis mehr. Jedes Jahr am Tag der Befreiungsfeierlichkeiten laden uns die österreichischen Befreiungskämpfer zu dieser Gedenkstunde ein. Bei einem Mittagessen lernen wir uns kennen und kommen ins Gespräch, oft gerade mit jungen Gewerkschaftern und Sozialdemokraten. Die Gedenkreden beziehen sich auch auf die heutige Zeit, verschiedene politische Ansichten werden thematisiert und auf Tendenzen des Neofaschismus in Österreich und Deutschland wird hingewiesen. Eine Teilnehmerin stellte erstaunt fest: „ Hier ist es ja wie auf einer Wahlveranstaltung.“ Als dann zum Abschluss „Die Internationale“ gesungen wurde, war eine gemeinsame politische Interessenslage nicht zu überhören und beeindruckend zu erleben.
Anstrengend war die Führung durch die Gedenkstätte Mauthausen durch einen ehemaligen Häftling, Rajmund Pajer. Er beherrscht sechs Sprachen, aber leider nicht die deutsche. So konnten wir unsere Englischkenntnisse erweitern und gleichzeitig seinen Erzählungen lauschen.
Viel hatten wir schon von den Gräueltaten der Nationalsozialisten gehört, aber das, was uns Martha Gammer in Gusen, einem Nebenlager des KZ Mauthausen berichtete, war kaum auszuhalten. Wie in Hartheim tauchte wieder die Frage auf, wie können Menschen so unmenschlich handeln? Wir versuchten das Unbegreifliche zu begreifen. Vorstellen und verstehen können wir es nicht.
Aber wir haben gesehen und gehört und das ist anders als im Geschichtsbuch zu lesen. Wir haben die Zeitzeugen und die Gedenkorte erleben dürfen und danken für das Engagement aller Beteiligten.
Unsere Motivation, Biografien von Überlebenden zu erarbeiten und sich mit dieser Zeit auseinander zu setzen, dafür zu sorgen, dass dies alles nicht vergessen wird, wurde gestärkt.
Können wir den Auftrag erfüllen? Ja, wir haben einen Mund, zu erzählen und wir müssen sprechen, wenn Intoleranz und Diskriminierung in unserer Nähe geschehen.
Den Höhepunkt unserer Gedenkfahrt bildeten die Befreiungsfeierlichkeiten am Sonntag, dem 13.05.2012. Gemeinsam mit Vertretern der Deutschen Botschaft, der Kriegsgräberfürsorge und des Mauthausenkomitees aus Stuttgart marschierten wir als deutsche Delegation die ehemalige Lagerstraße entlang. Gleichzeitig erlebten wir, wie Delegationen aus ganz Europa, ja sogar der ganzen Welt, denn Kuba und die USA waren auch vertreten, der Opfer gedachten und sich erinnerten. Im Mittelpunkt der diesjährigen Feierlichkeiten standen die rassistischen Ermordungen durch die Nationalsozialisten. An den Gedenkorten und in den Gesprächen haben wir erfahren, dass die Sinti und Roma und die Juden besonders gequält und auf grausamste Weise ermordet wurden.
Das Gedenken mit 10000 Gleichgesinnten zu erleben tat richtig gut. Einig waren wir uns auch darin, dass die Vertretung aus Deutschland angesichts der Teilnehmeranzahl nicht überzeugte. Freudig überrascht bemerkten wir viele jugendliche Teilnehmer in den anderen Delegationen. Diese Gemeinsamkeit von jung und alt empfanden wir als hoffnungsvoll.
Vor der offiziellen Veranstaltung hatten wir die Aufgabe übernommen, die Kranzniederlegung am Denkmal der Deutschen Mutter feierlich zu umrahmen. Wir hatten das Gedicht eines ehemaligen Häftlings „Der Engel des Mittags“ entdeckt, welches von Martha Gammer übersetzt worden war, und trugen es auf Deutsch und Französisch vor. Außerdem lasen wir aus den Aufzeichnungen des Zeitzeugen Hugo Höllenreiner vor und formulierten eigene Gedanken dazu.
Auch hier kam wieder der Wunsch der Überlebenden und der Älteren zum Ausdruck, dass diese Verbrechen nie vergessen werden dürfen.
Deshalb werden die Biografien von Otto Wiesner und Hugo Höllenreiner für die Erweiterung der Ausstellung „Gegen das Vergessen“ von uns geschrieben.
Im Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Sabine Stoof (Lehrerin)